Berlin, 11.11.2025, 8.00 Uhr – Ein siebenköpfiger Arbeitskreis der Neuen Generation hat eine Studie über geloste Klima-Bürger*innenräte in Deutschland veröffentlicht. Im Rahmen der Studie wurden die Inhalte von Räten mit Klimabezug analysiert, die in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik durchgeführt wurden. Das Ziel der exklusiven Evaluation: verstehen, was Klimaräte inhaltlich leisten, wie stark sie politisch wirken und wie sie in Zukunft zu einem echten Motor der demokratischen Veränderung werden.
Erste systematische Analyse von Klimaräten in Deutschland
Im Auftrag der Neuen Generation wurden 57 geloste Klima-Bürger*innenräte erstmals systematisch analysiert. Die entsprechende Studie mit dem Titel Klimaräte in Deutschland: Forderungen und Umsetzungshindernisse – eine Evaluationsstudie (PDF) ist jetzt auf der Website des Parlaments der Menschen abrufbar. Für die Studie wurden nicht nur die Inhalte der Räte untersucht, sondern auch ihre politische Wirkung: Wurden ihre Forderungen umgesetzt – und wenn nein, warum nicht?
Im Rahmen der Studie konnten zentrale Themen erkannt werden: Besonders oft ging es in den Räten um Mobilität, Stadtplanung, Bildung, Kommunikation und erneuerbare Energien. Wichtige klimapolitische Themen wie CO₂-Bepreisung oder Wald- und Forstwirtschaft wurden dagegen nur selten behandelt. Die meisten Forderungen sind eher konstruktiv als warnend formuliert und setzen auf Anreize statt auf Verbote. Sie zeigen ein hohes Vertrauen in Wissenschaft und Bildung, aber selten wird Vertrauen in politische Institutionen geäußert.
Die Auswertung der Klima-Bürger*innenräte zeigt ein Spannungsfeld: Einerseits formulieren die Teilnehmenden viele ambitionierte, konstruktive und oft praktisch umsetzbare Forderungen, die wichtige Bereiche des Klimaschutzes betreffen. Diese Forderungen zeigen ein starkes Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme sowie eine klare Bereitschaft, selbst etwas beizutragen. Andererseits zeigt die Analyse, dass die bestehenden politischen Strukturen bisher nicht ausreichen, um die Ergebnisse der Räte in politische Entscheidungen einfließen zu lassen und angemessen zu berücksichtigen.
Klimaräte schöpfen ihr Potenzial nicht aus
Dadurch entsteht eine widersprüchliche Situation: Die inhaltlich hochwertigen Ergebnisse der Bürger*innenräte zeigen deutlich, dass ausgeloste, beratende Beteiligungsverfahren gut geeignet sind, um verschiedene gesellschaftliche Perspektiven zu bündeln und wichtige Themen auf die Agenda zu setzen. Trotzdem ist ihr tatsächlicher Einfluss auf politische Entscheidungen sehr gering. Nur wenige Räte haben einen offiziellen Beratungsauftrag für gesetzgebende Prozesse. Oft bleiben verbindliche Rückmeldungen der Politik aus, und viele Prozesse verschwinden in allgemeinen Konzepten, deren Umsetzung kaum nachvollziehbar ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass Bürger*innenräte vor allem symbolisch eingesetzt werden. Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass Klima-Bürger*innenräte ihr eigentliches Veränderungspotenzial bisher nicht ausschöpfen.
Studienautor Georg Rackow bemängelt: „Statt mutige Entscheidungen zu inspirieren, bleiben viele dieser Beteiligungsprozesse symbolisch – freundlich moderierte Feigenblätter einer Demokratie, in der echte Mitbestimmung und echte Gestaltung nicht gewünscht sind.“
Erste Schritte zu einer neuen Kultur der Bürger*innenräte
Für die Weiterentwicklung einer neuen Kultur der Bürger*innenräte in Deutschland bedeutet das: Es sind institutionelle Reformen nötig. Ein erster naheliegender Schritt wäre, von der Politik mehr Bürger*innenräte mit offiziellem Beratungsauftrag zu fordern und eine Pflicht einzuführen, dass sich Parlamente mit deren Ergebnissen befassen und Stellung nehmen müssen. Darüber hinaus wären tiefgreifende Reformen denkbar: etwa die feste Verankerung von Bürger*innenräten auf allen politischen Ebenen, von der Gesetzesinitiative über den Gesetzesentwurf bis zur Verabschiedung von Gesetzen.
Weil der politische Wille bislang fehlt, bleibt als Alternative: Die außerparlamentarischen Wirkungsräume geloster Räte müssen gestärkt werden – Räume also, in denen sie unabhängig vom Staat Wirkung entfalten können. Wie genau solche Strukturen aussehen könnten, müsste in einem breiten gesellschaftlichen Austausch entwickelt werden.
Das Parlament der Menschen
Dass Bürger*innen echtes Mitspracherecht bekommen, dafür sorgt das Parlament der Menschen der Neuen Generation. Im Mai und im Oktober 2025 fanden bereits zwei Parlamente der Menschen statt, weitere sollen folgen. Die Teilnehmenden aus ganz Deutschland werden jedes Mal neu ausgelost. Am 23. November findet ein lokales Parlament der Menschen im Berliner Bezirk Neukölln statt. Das Thema: Was tun gegen hohe Mieten?
Die Neue Generation setzt sich dafür ein, dass die Entscheidungen von Bürger*innenräten – wie dem Parlament der Menschen – in Zukunft verbindlich werden. Georg Rackow: „Wenn immer mehr Parlamente der Menschen stattfinden, machen immer mehr Menschen die Erfahrung, dass sie gemeinsam in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen. Dann wächst auch das Vertrauen ins Miteinander – und die Erkenntnis, dass wir uns nicht auf gewählte Parlamentarier*innen verlassen müssen, sondern dass Demokratie im gemeinsamen (Aus-)handeln entsteht!“