Berlin, 04.06.2025, 20.15 Uhr – Auf der Marschallbrücke in Berlin-Mitte fand heute Abend ein „offenes Parlament“ zum Schweigen über Gaza statt. Knapp 50 Menschen kamen ab 17.30 Uhr zusammen, um dem Raum zu geben, worüber in Deutschland allzu viel geschwiegen wird: den Gefühlen von Schuld, Sprachlosigkeit und Ohnmacht im Angesicht all der Gewalt in Nahost.
Das offene Parlament ist für alle Bürger:innen aufgeschlossen. Raphael Thelen, Pressesprecher der Neuen Generation und Mitorganisator des Parlaments, über das Konzept: „Wir wollen miteinander reden: Über das, was in Gaza und Israel passiert, und was das mit uns macht. Wir wollen nicht argumentieren, nicht überzeugen, sondern einander zuhören und uns auf Augenhöhe begegnen.“
„Wenn wir Israel kritisieren, fühlen wir uns schuldig. Wenn wir schweigen, fühlen wir uns mitschuldig. Dazwischen liegt ein schwarzes Loch“, sagt Theodor Schnarr während des offenen Parlaments.
Lina Eichler, ebenfalls am offenen Parlament beteiligt, äußert sich ähnlich: „Das Schweigen in Deutschland ist ohrenbetäubend. Während in Gaza Menschen verhungern und bombardiert werden, diskutieren wir hier, ob man das überhaupt sagen darf. Wer heute schweigt, macht sich morgen schuldig. Es reicht – wir müssen den Mut haben, die Wahrheit auszusprechen, auch wenn sie unbequem ist.“
In Deutschland fällt es vielen schwer, über Gaza zu sprechen. Kein Wunder: Millionen hierzulande Geborene haben Eltern oder Großeltern, die Täter:innen waren – Angehörige der SS, der Wehrmacht oder Mitläufer des NS-Regimes. Die Erinnerung daran sitzt tief – ebenso wie die Angst, das Falsche zu sagen. Doch das darf keine Entschuldigung sein.
„Ich habe die letzten Jahre geschwiegen, weil ich nicht wusste, wie ich sprechen soll“, ergänzt Schnarr. „Doch das deutsche Schweigen schützt niemanden. Es lähmt uns und macht uns blind.“
Weitere Versammlungen sind geplant. Denn wenn wir als Gesellschaft Verantwortung übernehmen wollen – für die Geschichte und für die Gegenwart –, dann müssen wir auch diese Gespräche führen. Im Kleinen, mit offenem Herzen und ohne Ausflüchte.
Die heutige Veranstaltung war Teil einer neuen Gesprächsreihe der Neuen Generation, die auf dem Prinzip ihrer „Mini-Versammlungen“ basiert. Die Mini-Versammlungen sind moderierte Kleingruppen, in denen Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, einander zuhören und ihre Perspektiven teilen. Angeleitet durch einfache Gesprächsregeln entsteht ein Raum für echtes Verstehen – jenseits von Polarisierung und Rechthaberei. Ziel ist nicht recht zu haben, sondern Verbindung und Erkenntnis. So soll demokratische Kultur im Kleinen erfahrbar werden.